Zum Glück sind Spatzen keine Zugvögel, denn sonst hätten sie nicht von den Dächern pfeifen können, was in Villach schon jeder erwartet hatte. Die Zeit von Rob Daum – von einer Ära will ich wirklich nicht sprechen – beim VSV ist abgelaufen. Die Heimniederlage gegen die Drachen aus Laibach nach 4:1-Führung brachte das Fass zum Überlaufen und zeigte noch einmal – die Mannschaft steht nicht mehr hinter dem Trainer. Ob sie gegen den Coach gespielt hat, nach den klaren Führungen gegen Wien und Laibach sowie beim Spiel in Innsbruck sah es auf jeden Fall so aus, soll hier nicht behauptet werden. Wobei hier auch eines klargestellt werden muss: Bei weitem nicht alles an der Daum-Zeit war schlecht.
Feldwebel aus der Mode
Vieles ist aber zu hinterfragen. Die Zeit von Trainern wie Daum – der ,,Feldwebel-Stil“, wo nur er zu reden hat, Inputs vom Trainerstab und Führungsspielern einfach ignoriert werden, ist eindeutig vorbei. Und erfolgreiches Profi-Hockey kann nur mit vier Linien gespielt werden, konsequent über 60 Minuten – davon war nichts zu sehen. Junge Spieler auf den Spielbericht zu setzen und Ihnen dann, wenn sie Glück haben, vielleicht einen Shift zuzugestehen – das ist für den viel zitierten HUGO!
Ohne JPL VSV nur Mittelmaß
Mir als Eishockey-Fan mit blau-weißem Blut tut es schwer dies zu schreiben, ich habe aber seit Beginn der Saison jedem gesagt, der es (nicht) hören wollte und wurde dafür sehr oft richtig geschimpft: Der Tabellenplatz täuschte über die Performance der Mannschaft hinweg. Hätten wir nicht JPL im Tor, wäre der Tabellenstand ganz ein anderer. Fans, die Meisterpotenzial in den Leistungen erkannt haben, ist die blau-weiße Brille zu sehr ans Herz gewachsen. Aber: Die Mannschaft hat Riesenpotenzial, das sie bisher aber viel zu selten abgerufen hat.
Zonenverteidigung nicht mehr zeitgemäß
VSV ist in der Defensive leichter berechenbar als das 1 x 1 für einen Mathematik-Nobelpreisträger. Die veraltete Zonenverteidigung bei der Verteidiger ihre Zone nicht verlassen dürfen und dem nächsten Verteidiger übergeben, verschaffte den Gegnern Freiräume und Zeit, die sie immer besser zu nutzen wussten und gehört inzwischen in die Hall of Fame aber nicht mehr aufs Eis.
Die Linienzusammenstellung
Der neue Trainer sollte auch die Linienzusammenstellung noch einmal überdenken – so wäre es nur logisch Andrew Desjardins, für mich einer der herausragenden Akteure, in eine Linie mit Sabolic zu stellen. Desjardins gewinnt die Bullys und macht die Drecksarbeit, Sabolic kann sich aufs Scoren konzentrieren – so einfach wäre zumindest mein Plan – nur als Beispiel.
Ist Marcel Rodman der Messias
Womit wir bei Marcel Rodman wären, der auf Daum nachfolgt. Klar ist – der Draht von Rodman zu den Spielern ist ein richtig guter, er geht auf sie ein, ist nicht nur Trainer, sondern Vertrauensperson, was Daum nie war. Er wird Spielern wie Benji Lanzinger oder Elias Wallenta um nur zwei zu nennen, und allen anderen jungen Spielern hoffentlich die nötigen Einsatzzeiten und das Selbstvertrauen geben, das sie brauchen um ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Auch Fehler dürfen da den Cracks gerne mal passieren, das gehört zur Entwicklung dazu. Ganz wichtig: Auch die dritte und vierte Linie MÜSSEN auf zehn bis dreizehn Minuten Einsatzzeit in JEDEM Match kommen.
Wer Rodman kennt, weiß, dass er ein Teamplayer ist, Vorschläge von Goalie-Coach Patrick Machreich landen sicher nicht gleich in der Rundablage. Und es muss auch während der Matches mehr von der Bank kommen. Daums Körpersprache war bei 6:0 und bei einem 3:4 im Derby zwei Minuten vor Ende fast dieselbe.
Wichtig wird sein, dass Rodman auch die Akzeptanz der Kanadier im Team hat. Einem von mir (Rüdiger Wratschnig) hoch geschätzten Johnny Hughes muss er klar machen, dass man sich im modernen Eishockey keinen Freigeist mehr leisten kann – eine gute Defensivleistung ist die Grundvoraussetzung für eine spektakuläre Offensive, die Johnny so liebt. So kommt man in Umschaltsituationen, kann Rushes fahren etc. etc.
Fazit von Rüdiger Wratschnig
Fakt ist: VSV hat einen Super-Goalie und zwei starke Backups, hat starke Verteidiger und geniale Stürmer – die Einkaufspolitik war 2023 gut wie selten. Nun gilt es für Mannschaft und Trainerteam, dies auch leistungsmäßig aufs Eis zu bringen. Schon morgen und Sonntag warten mit Fehervar und Salzburg zwei Gegner, wo das Team zeigen kann, das mit dem Wechsel hinter der Bande ein Ruck durch die Mannschaft gegangen ist. Bis zur Teampause im Dezember wird es wohl keine radikalen Umstellungen in der Mannschaft geben, das ist bei der Vielzahl der Spiele einfach nicht möglich. Bis dahin sollten die Adler sich als Eichhörnchen verkleiden und soviel Nüsse (nein Punkte) sammeln, wie es geht. Besonders im Derby am 10. Dezember könnte man die besten Fans der Liga wieder versöhnen. Nach der Teampause sollte man aber spätestens die individuelle Handschrift des neuen Trainers auch am Eis erkennen. Wir sind sehr gespannt……………..
Foto: Bernd Stefan