Wölfnitz verlor 10 Nachwuchskicker an Maria Rain. Über die Schwierigkeit, sämtliche Akteure im Nachwuchsfußball unter einen Hut zu bringen.
Als der ÖFB 2017 die Übertrittbestimmungen und die damit einhergehenden Ausbildungsentschädigungen reformierte, bezweckte der Verband damit eine Stärkung der Nachwuchsspieler und der kleinen Vereine. Schnäppchen für Bundesligisten sollten der Vergangenheit angehören, umgekehrt zahlen kleine Vereine erheblich weniger für einen Youngster.
Das mag durchaus gelungen sein, allerdings häuften sich seitdem Übertritte ganzer Nachwuchsteam, insbesondere dann, wenn ein Trainer zu einem neuen Club weiterzog. Das betraf in KFV-Gefilden in den vergangenen Jahren aus höchst unterschiedlichen Motiven unter anderem den SAK (an Wölfnitz, A. Klagenfurt), die Klagenfurter Austria (an den WAC) und den ASK (an Donau). Aktuell wechselte beinahe ein komplettes Nachwuchsteam vom ASKÖ Wölfnitz zusammen mit dem Trainerduo nach Maria Rain.
Ob diese Transfers weitgehend kompletter Teams durch den so bezeichneten „Zwangserwerb“ (=Wechsel ohne Freigabe des abgebenden Vereins) im Sinne des Erfinders sind, wird dieser Artikel nicht erschöpfend klären. Wir sahen uns den aktuellen Fall von Wölfnitz und Maria Rain genauer an, welche Motivationstriebfedern hinter einem derart weitreichenden Schritt mit vielen verschiedenen Playern stecken.
Die Fakten: 10 Spieler der U9/U10 wechseln nach Maria Rain
Ausgelöst wurde der Übertritt von Teilen der Wölfnitz-U10 durch deren Trainerduo Stefan Wurzer und Hubert Komar. Die switchen nach Maria Rain, das wiederum fristgerecht 10 Kids über die Schiene Zwangserwerbungen von Wölfnitz loseiste. Alles erwies sich als formal richtig: Die Fristen wurden eingehalten, die Unterschriften der Eltern lagen vor und die Ausbildungsentschädigungen wurden bezahlt.
Die Sichtweise von Wölfnitz
Für Wölfnitz-Präsident Gerhard Engl war die Vorgangsweise dennoch nicht in Ordnung: „Wir wurden überrumpelt. Es gab nur spärliche Hinweise, dass etwas im Busch ist.“ Demnach beteiligten sich die beiden Trainer nicht mehr am Vereinsleben, hielten einen Elternabend außerhalb der Sportstätte ab. Offene Unzufriedenheit äußerten allerdings weder die Eltern noch die Trainer. Bei der letzten Nachwuchstrainersitzung soll Wurzer dem Verein ausgerichtet haben, „dass die Kinder nur meinetwegen da sind, die kommen aus meiner Straße.“ An einen weiteren Fingerzeig entsann er sich retrospektiv noch: „Die neuen Nachwuchstrikots lagen seit Mai im Spind, niemand holte sie ab, wohl wegen des bereits gefassten Entschlusses uns zu verlassen“, schließt Engl.
Nun befindet sich diese Straße von fußballverrückten Kids aber in Wölfnitz, zu Stoßzeiten eine beträchtliche Wegstrecke nach Maria Rain. Google Maps spuckt zwischen 25 und 30 Minuten für eine Seite aus. Abseits der Rushhour. Engl meint dazu, dass vielen Eltern noch gar nicht bewusst ist, welche Mühe sie da auf sich nehmen: „Die werden sich im Pendlerverkehr noch wundern.“ Die Tür bleibt aber offen: „Wer sich das nicht mehr antun will, dessen Kinder sind gerne wieder beim ASKÖ Wölfnitz willkommen.“
Sportlich sieht er im Wechsel ebenfalls kein Upgrade: „Die Infrastruktur auf unserem Platz ist eindeutig besser, die Mannschaft schnitt sportlich gut ab.“ Letzteres verleitete einige Eltern zum Überschätzen der Leistungsfähigkeit ihrer Kinder, glaubt Engl: „Wir spielten in einer regionalen Gruppe gut mit. Es handelte sich nicht um eine Leistungsgruppe, die erwartet die Kids in Maria Rain aber ebenfalls nicht.“ Dort wird sich neben dem abgewanderten Trainerduo auch Adi Preschern um die Kids kümmern. Worüber noch einige Zeilen folgen.
Etwas Groll hört man beim Präsidenten dann doch heraus: „Wir investieren viel in den Nachwuchs, halten die Beiträge niedrig, mit denen wir kaum die Aufwandsentschädigungen für die Trainer zahlen können. Am Ende des Tages war es nicht in Ordnung, uns vor vollendete Tatsachen zu stellen. Auf die Eltern warten Mehrkosten, müssen viel mehr Zeit für den Nachwuchs aufbringen, der sportliche Fortschritt ist zweifelhaft. Wir glauben nicht, dass die Eltern umfassend informiert wurden. Wir gehen ferner davon aus, dass die Erziehungsberechtigten bewusst vom Verein ferngehalten wurden.“ Harte Vorwürfe, Konsequenzen gibt es seitens Wölfnitz keine, „es ist sehr schade, dass Kinder in den Brennpunkt von Eigeninteressen geraten. Lasst doch Kinder Kinder sein!“
Die Position von Maria Rain
Maria-Rain-Obmann Edgar Kienleitner und Sektionsleiter Hans-Joachim Leitner äußerten sich auf unsere Anfrage schmallippig. Welche Rolle die beiden Funktionäre in dem dynamischen Prozess einnahmen, erschließt aus deren Aussagen nicht restlos. Kienleitner legt viel Wert auf die Feststellung, wonach „Maria Rain nicht bestrebt war und ist, von anderen Clubs Kinder abzuwerben. Wenn eine unzufriedene Gruppe auf uns zukommt und wir ihr behilflich sein können, dann verschließen wir uns aber auch nicht.“
Hans-Joachim Leitner hebt die Beziehung vom Trainer zu den Kindern und deren Entscheidungsfreiheit hervor: „Kinder wollen regelmäßig ihre Freunde treffen und mit ihnen gemeinsam etwas unternehmen. Jetzt hat sich dort eine enge Beziehung vom Trainer mit den Kids gebildet. Die wollten wechseln und die Kinder mit den Bezugspersonen mitziehen. Man sollte ihnen das nicht verwehren.“
Wie es Trainer Stefan Wurzer sieht
Wurzer gibt im Interview an, dass er sich im Laufe der Saison nicht mehr wohl in Wölfnitz fühlte, er wenig Wertschätzung erfuhr und die Abkapselung eine Folge vieler kleiner Enttäuschungen war: „Ich wurde zum Beispiel für die Meinung belächelt, dass ein Trainer viel dazu beiträgt, dass die Kinder pünktlich zum Training erscheinen und als Mannschaft auftreten.“ Daher gab es den Elternabend abseits vom Sportplatz bestätigt Wurzer. „Uns wurde für unser Verhalten nicht näher geschilderte Konsequenzen angedroht, ab dem Zeitpunkt war für uns klar, die Situation ist untragbar. Wir rätselten ständig, was damit gemeint sein könnte und das setzte uns zu.“ Laut Wurzer teilten Kinder und Eltern den Wunsch nach einer Veränderung und sind dafür bereit, quer durch die Stadt zu fahren. Eine Vorbereitung von langer Hand stellt er in Abrede: „Das ganze Ding zogen wir binnen 10 Tagen durch.“
Die Alternative fand das Duo Wurzer-Komar in Maria Rain. Einem Verein mit einer eher überschaubaren Infrastruktur, dafür mit dem Kooperationspartner „Top2be Soccer“ als Atout im Ärmel, einer Organisation vom ehemaligen Profi Adi Preschern. „Die haben das Know-how, um uns weiterzubringen und das vorhandene Potenzial abzurufen“, gibt sich der Trainer überzeugt. Welche Mehrkosten auf die Eltern zukommen, vermochte Wurzer nicht zu beantworten; „Fragen sie das bitte Adi Preschern selbst.“ Was wir selbstredlich taten: „Das hängt ganz davon ab, welche Module die Eltern buchen“, beschied uns Preschern. „Beim Basismodul läuft es auf etwa 7–10 EUR pro Training hinaus.“
Adi Preschern sieht Vereine in der Pflicht
Nachdem wir den Ex-Torhüter nun mal schon in der Leitung hatten, interessierte uns seine Meinung zu den Zwangserwerbungen im Generellen. Preschern macht aus seinem Herzen keine Mördergrube: „So was kommt ständig vor und meistens sind die Vereine selbst schuld. Die Nachwuchsarbeit entpuppt sich oft als leere Phrase, der Wohlfühlfaktor ist dann nicht gegeben.
Kein Wunder, dass sich die Kids und deren Eltern anderweitig umsehen.“ Den aktuellen Fall will er nicht kommentieren: „Wir freuen uns auf die Kids, wissen einen Pro-Lizenz-Trainer in unseren Reihen. Die besten Trainer sollten bekanntlich zum Nachwuchs, dies entpuppt sich oft als hohle Phrase, nicht aber bei uns.“
Die Moral der ganzen Gschicht….
Wenn Wölfnitz-Präsident Engl glaubwürdig-romantisch appelliert „lasst die Kinder Kinder sein“, wird wohl niemand dagegen etwas einwenden. Dem stehen zahlreiche differierende Interessen im organisierten Sport gegenüber, die sich mit dem Ansatz nicht in Einklang bringen lassen. Viele Eltern träumen von einer sportlichen Karriere, für die sie Zeit und Geld investieren, die Trainer wünschen sich einen Verein, der zu ihrer Persönlichkeitsstruktur, und ihren Karriereplänen passt. Wölfnitz selbst hofft auf durchgehende Nachwuchsjahrgänge, wo mal was für die Kampfmannschaft abfällt, der aufnehmende Verein baut ohnedies seinen Nachwuchs neu auf. Dazu kommen noch Firmen/ Organisation an der Peripherie, wie jene vom Adi Preschern, die Exzellenz vermitteln möchten.
Kinder werden benötigt
Ja und sie alle benötigen letztendlich Kinder. Angesichts der demografischen Zahlen und der generell geringer werdenden Bereitschaft im organisierten Sport aktiv zu werden, sind das beunruhigende Aussichten. Jeder dieser Akteure handelte aus seiner Sicht korrekt und redlich. Ein regelrechtes Griss um die Kids und einer damit einhergehenden Kannibalisierung unter den Vereinen wird sich allerdings schwer vermeiden lassen.
Was die Wölfnitzer Kinder angeht, so hoffen wir, dass sie den Spaß am Fußball aufrecht halten, egal ob in Maria Rain, Wölfnitz, oder sonst wo.
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