Wenn ein Fußballverein 60 Jahre lang alles gibt – und am Ende dennoch die Platzkarte gezogen bekommt
Innsbruck, Frühjahr 2025. Während die Fußballbühnen des Landes langsam in den Saisonausklang übergehen, verabschiedet sich ein Name, der in Tirol jahrzehntelang verlässlich zur Fußballkarte gehörte: Union Innsbruck. Die erste Kampfmannschaft wird sich nach dieser Saison aus der Hypo Tirol Liga zurückziehen – ein Schritt, der nicht aus sportlichen Gründen erfolgt, sondern aus struktureller Resignation.
Dass diese Entscheidung nicht überraschend kommt, aber umso schmerzhafter ist, zeigte bereits der Bericht der Tiroler Tageszeitung (5. Mai 2025) von Daniel Lenninger, der die Misere rund um Infrastruktur, Versprechen und verpasste Chancen offenlegt.
„Seit 60 Jahren sind wir Teil der Tiroler Fußballfamilie“
Langzeit-Obmann Herbert Lener (mit kurzer Unterbrechung seit 1993) findet im Gespräch mit Sport Fan Austria klare, bewegende Worte. Seit 1965 steht Union Innsbruck für Fußball im Herzen der Stadt – gegründet in der Pfarre Saggen von einem Seelsorger und zwei Gruppenleitern der katholischen Jugend. Der Verein wuchs vom Kleinfeldverein der 2. Klasse zum Regionalliga-Klub, ehe man 2012 freiwillig den Gang in die Landesliga antrat. Nicht aus Schwäche – sondern aus Überzeugung.
Doch das Fundament, auf dem dieser Idealismus ruhte, bröckelte von Jahr zu Jahr: ein veralteter Sportplatz, eine nie modernisierte Infrastruktur und ein jahrzehntelanges Hinhalten durch die Politik.
Die 15-jährige Übergangslüge – Leben im Containerdorf
Die Union kämpfte früh für ihren Platz: Schon 1993 überreichte Lener gemeinsam mit Michi Streiter eine Petition mit 2.000 Unterschriften zur Rettung des Sportplatzes Fennerkaserne. Die Antwort der Stadt ließ keine Zweifel offen: „Dieser Sportplatz ist gestorben.“
Doch gestorben ist nichts – zumindest nicht offiziell. Stattdessen wurstelte man sich durch. Ein Containerdorf wurde zur Dauerlösung, geplante Neubauten verschwanden in den Schubladen des MCI-Projekts – das letztlich ebenfalls begraben wurde.
Lener beschreibt die Realität so: „Wir leben seit über 15 Jahren in einem Containerdorf. Die Probleme verschärfen sich jedes Jahr. Wir trainieren auf drei verschiedenen Plätzen – das ist logistisch und sportlich ein Wahnsinn.“
Ein Heimspiel ohne Heimvorteil – „Wir haben derzeit explizit ein Auswärtsspiel.“
Jugend, Ehrenamt, Herzblut – aber keine Antwort
Was bleibt, ist ein Verein, der finanziell wie organisatorisch am Limit agiert, dessen Ehrenamtliche sich aufreiben, dessen Nachwuchs mit über 102 Kinder durch Improvisation zusammengehalten wird. Und trotzdem? „Wir hören seit über 15 Jahren Versprechungen. Wir bitten um Verständnis, dass wir für unseren Einsatz endlich Antworten brauchen“, so Lener.
Antworten gibt es bis heute keine. Nur den Entschluss, sich zurückzuziehen – nicht aus Trotz, sondern aus Notwendigkeit.
Ein Tiroler Fall – mit bundesweiter Bedeutung
Was der Fall Union Innsbruck zeigt, betrifft nicht nur Tirol. Auch in Kärnten kämpften Klubs wie Dellach/Drau, VSV, Ebenthal, Sachsenburg, Stockenboi oder der ASK Klagenfurt mit ähnlichen Problemen: sinkende Unterstützung, steigende Anforderungen, fehlende Perspektiven.
Der österreichische Amateurfußball ist kein Zuschussbetrieb – er ist ein gesellschaftlicher Kitt. Wenn selbst traditionsreiche Klubs in Landeshauptstädten aufgeben müssen, zeigt das: Die Basis bricht.
Und mit ihr die Zukunft.
Diskussion erwünscht:
Kennst du ähnliche Fälle aus deinem Bundesland? Was müsste geschehen, damit Vereine wie Union Innsbruck nicht zum x-ten Mahnmal verpasster Chancen werden?